Maria Loley
(Maria Loley, © Bild: Ana Maria Ivan)
(22.11.1924 - 4.2.2016)
4.2.2016
Maria Loley starb am 4.2.2016 im St. Vitus-Wohnheim in Laa an der Thaya.
Sie hat sich in den letzten Jahren mit großer Kraft für die Wiederaufnahme des Verfahrens in der Briefbombencausa eingesetzt.
Sie war immer fest davon überzeugt, dass weitere Haupt- und Mittäter involviert waren.
Sie konnte Namen und konkrete Hinweise nennen, sowie eklatante Ermittlungsmängel, dennoch blieben ihre Stellungnahmen nicht berücksichtigt.
Maria Loley bleibt ein Bespiel für resolutes, konsequentes Handeln. Ein Beispiel für das Nichtaufgeben.
20.11.2013
Maria Loley gibt am 19. November 2013 ein ORF-Interview zum Thema Briefbomben. Eine Woche davor wurde sie von der ORF-Redaktion diesbezüglich kontaktiert. Während des Gesprächs erleidet sie einen Schwächeanfall und wird ins Krankenhaus gebracht.
Maria Loley heute am Telefon: "Ich werde nie aufegeben. Franz Fuchs war kein Einzeltäter".
Wie der Anwalt der ihr bei der Einsichtnahme in Graz behilflich war, schon sagte: "eine unglaublich resolute und mutige Frau".
"Ich habe auch recherchiert"...
"Ich habe auch recherchiert", sagt sie ruhig und sehr bestimmt. Und: nein, sie hat nicht vor, weniger als die ganze Wahrheit zu akzeptieren. Angst hatte sie weder damals noch heute, nach dem Antrag auf Fortsetzung der Ermittlungen in der Sache 16UT 104/08y den sie am 12. August in meinem Beisein unterschrieb. Sie hatte nie an die Einzeltätertheorie geglaubt. Dazu hatte sie im Zuge ihrer eigenen Recherchen unzählige Fachberichte gelesen und gehört, die gegen die Einzeltätertheorie sprachen: Professor Dr. Heinz Dopsch, der berühmte Historiker an der Universität Salzburg und Gutachten-Autor. Der international anerkannte Germanist Professor Dr. Günter Lipold, der mittlerweile verstorbene Altbürgermeister Dr. Helmut Zilk, Professor Wolfram, wie auch Journalisten und Buchautoren die den Fall analysiert haben (Hans Christian Scheid, Professor Olt, T. Vasek, etc.) weisen in ihren Stellungnahmen auf Mittäter hin. Mit 85 forderte Briefbombenopfer Maria Loley lückenlose Ermittlungen und die ganze Wahrheit. Eine neue Mut- und Vertrauensprobe.
Aber die furchtbaren Verletzungen nach dem Attentat auf ihr Leben 1995 sollten nicht so schnell heilen: Der niederösterreichische Rechtsanwalt der sie (selbst- und kostenlos) vertrat, ergänzte ihren Antrag vom 12. August 2009 um Angaben über weitere Verdächtige (die zwar zeitweise über Medien kolportiert wurden), die Maria Loley aber gar nicht kannte. Weitere Formfehler und versäumte Fristen führten dazu, dass ihr Antrag von der Grazer Justizbehörde abgewiesen wurde (Beschluss des Grazer LG für Strafsachen vom 10.12.2009).
Tief enttäuscht, musste sie Anfang 2010 die in ihrem Namen von dem niederösterreichischen Anwalt gestellten Anträge schriftlich widerlegen, weil sie unwahre Angaben nicht tolerieren kann. Weil ihr die Sache nach wie vor zu wichtig ist.
Im November 2010 wurde Maria Loley von Mag. Dr. Mathias Vogl aus dem Innenministerium kontaktiert und nach Wien zu einem Gespräch zum Thema Briefbomben freundlich eingeladen. Nach mehreren Telefonaten fuhr Maria Loley (nicht ohne Mühe) von Laa an der Thaya nach Wien. Es war der 22. Dezember 2010. Resolut wie immer, fest davon überzeugt, dass die österreichische Behörde den größten Terrorfall der Zweiten Republik endlich restlos aufklären würde.
Mag. Dr. Mathias Vogl (im Jahr 2012 von der Erzdiözese Wien mit dem päpstlichen Orden "Cavaliere dell’Ordine di San Silvestro Papa" geehrt) bat aber Maria Loley "mit Nachdruck", von Ermittlungen und Nachforschungen in der Briefbomben-Causa Abstand zu nehmen.
I N T E R V I E W
DIE ZEIT NACH DEM ATTENTAT. "UND DANN ERKENNT MAN IN DEN FREUNDEN FEINDE..."
FRAGE: Womit mussten Sie physisch und psychisch nach dem Attentat leben?
ANTWORT: Mit der Unwahrheit, mit der Behinderung und mit der primitiven Neugierde jener, die die Wunde sehen wollten, mit Sarkasmus und weiteren Beschimpfungen. Drohbriefe habe ich keine mehr bekommen, die letzten kamen bis knapp vor dem Attentat. Aber die verbalen Beschimpfungen haben auch nach dem Attentat nicht aufgehört: Todesverwünschungen („Schade dass die Bombe nicht stärker war, es wäre nicht schade um sie gewesen“) und ordinäre Beschimpfungen am Handy.
FRAGE: Hat die Polizei von den laufenden Drohungen erfahren und wenn ja, was wurde unternommen?
ANTWORT: Natürlich wurde die Polizei informiert. Als Schutzmaßnahme wurde zweimal am Tag mit dem Streifenwagen patrouliert, sonst nichts. Wobei: Im Vorbeifahren sieht man so gut wie gar nichts. Das ist doch kein Schutz. Und im Krankenhaus (gleich nach dem Attentat) hat die Polizei nach einigen Tagen ausrichten lassen, ich möge mir den weiteren Schutz selbst organisieren… Das hat mich verletzt.
FRAGE: Warum kommt Ihre Stellungnahme nach all den Jahren?
ANTWORT: Ich konnte vom Anfang an nicht glauben, dass Franz Fuchs ein Einzeltäter war und habe selbst nachrecherchiert. Hatte aber wenig Zeit und mein Gesundheitszustand war nicht gut. Im Alleingang ist es halt nicht immer einfach. Dann kamen entscheidende Hinweise über die Medien, wonach viele Experten (Linguisten, Historiker, Sprengstoffexperten), allen voran der ex-SOKO-Ermittler Rudolf Huber, die Einzeltätertheorie für nicht möglich hielten. Selbstverständlich habe ich sofort darauf reagiert.
FRAGE: Haben Sie jemals an die Einzeltätertheorie geglaubt?
ANTWORT: Keine Sekunde, sie erschien mir von vornherein unmöglich! Wie soll Franz Fuchs ganz allein all die Informationen gesammelt haben, alle Opfer ausgeforscht haben, an allen Tatorten allein gewesen sein und alle Bekennerschreiben verfasst haben? Franz Fuchs, der allein vor dem Fernseher hockte? Niemals.
FRAGE: Wie haben Sie auf die Meinungen diverser Experten reagiert?
ANTWORT: Ich habe mir jene Meinungen die die Einzeltätertheorie starr vertraten niemals erklären können, auch wenn sie von Fachpersonen stammten. Alle Gegenbeweise wurden ohne Grund vom Tisch gewischt (nach der Aussage eines ehemaligen Lehrers von Franz Fuchs war er nie imstande gewesen die Bekennerbriefe zu verfassen. Auch der Arbeitgeber von Franz Fuchs vertrat die selbe Meinung.). Dann beginnt man an der Seriosität der Ermittlungen zu zweifeln.
FRAGE: Wie haben Sie mit den bisherigen Untersuchungen gelebt?
ANTWORT: Sehr schlecht. Ich hatte als Betroffene sehr konkrete Verdachtsmomente und konnte auch Namen nennen. Leider habe ich mich nicht ernst genommen gefühlt, denn es hat keine aufrichtige Kommunikation stattgefunden. Knapp vor dem Attentat (etwa eine halbe Stunde) ist ein Anruf von unbekannter Seite in Poysdorf eingegangen: „In einer halben Stunde kracht es!“. Obwohl ich diesen Anruf bei der Zeugenaussage erwähnt habe, hat sich niemand näher damit beschäftigt. Die vielen anonymen Drohbriefe unmittelbar vor dem Attentat wurden alle der Polizei übergeben. Was damit passiert ist und ob die Schriftstücke in dem Akt sind, kann ich nicht sagen. Jedenfalls hat mich niemand darauf angesprochen, weder die Ermittler noch die Justizbehörde. Weitere Benachrichtigungen von der Behörde habe ich nicht bekommen. Bis auf einige Besuche hoher Spitzenpolitiker im Krankenhaus habe ich wenig Anteilnahme von offizieller Seite gespürt. Meine Verwandten und Freunde haben mich am meisten unterstützt. Ein Polizist schlug mir vor, Franz Fuchs im Gefängnis zu besuchen, allerdings riet mir Richter Nauta dringend davon ab.
FRAGE: Was hat den Meinungsumschwung in Poysdorf verursacht und was würden Sie gerne den Poysdorfern mitteilen?
ANTWORT: 1994 wurde mir der Preis des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlingshilfe verliehen, die Menschen in Poysdorf applaudierten mir mitten auf der Strasse. Und ein Jahr später, kurz vor dem Attentat wurde ich zum Volksfeind Nummer 1, man nannte mich nur noch alt und senil und beschimpfte mich. Etwa zwei Monate vor dem Anschlag wurde die Ausgrenzung besonders akut. Ein lokales Parteiblatt der Sozialisten (mit denen ich sonst ausgezeichnet zusammengearbeitet hatte) war der Hauptträger der Kampagne gegen mich und beschrieb mein Wirken als Schädigung der Bevölkerung mit zum Teil kuriosen und vor allem unwahren Angaben die die Bevölkerung jedoch geglaubt hat. Was diesen Meinungsumschwung verursacht hat, kann ich nicht sagen. Hat jemand zum Beispiel vor 1938 geahnt, Österreich könnte voll mit Nazis sein? Und trotzdem zeigt sich 1938: Alles schreit „Heil Hitler“. Es waren nicht alle Nazis, sondern sehr viele Sympathisanten. Und dann erkennt man in den Freunden Feinde, es ergibt sich eine ganz neue Realität. Beispiel: Eine enge Freundschaftsbeziehung. Am 13.März marschiert der „Freund“ plötzlich mit der SS über die Strasse. Dieser Umschwung (sag ich als Christ und nicht ausgebildeter Psychologe) ist die Schwäche des Menschen die in allen Menschen drinnen steckt, in der Wahrheit umzufallen. Es ist das Böse und die Macht der Lüge. Jede Lüge in der wir leben ist diabolischen Ursprungs und sie begegnet uns überall…
FRAGE: Auch in der Kirche?
ANTWORT: Ja, in allen gesellschaftlichen Bereichen kommt die Lüge vor, nirgendwo ist sie ausgeschlossen. Das erfordert von uns umso mehr Eintreten für die Wahrheit. Was ich den Poysdorfern mitteilen würde? „Stellen Sie sich vor, Ihr Haus, Ihr gesamter Besitz ist plötzlich weg und Sie haben nur noch die Kleider am Leib. Sie kommen in ein Land wo Sie die Sprache nicht kennen. Was erwarten Sie sich von den Menschen die dort leben? Mitfühlende, barmherzige Liebe. <<Alles was ihr wollt dass die Menschen euch tun, das tut ihnen>> „
FRAGE: Was würden Sie dem Täter mitteilen?
ANTWORT: Ich habe einige Zeilen für den Täter in einem offenen Brief zusammengefasst, hier ist er:
"Sehr geehrter Herr,
es geht immer noch um die Briefbomben; die Sache ist nicht zur Ruhe gekommen, das wissen Sie. Warum verstecken Sie sich? Sie wollen etwas verbergen. -
Und wenn es schon bekannt geworden ist?
Es geht aber nicht nur um die Jahrhundert-Causa, es geht un Sie, um Ihre Person. Sie sind Mensch, und wie jeder andere sollen Sie Achtung erfahren.
Auch Sie sind es wert! Achtung, die aus Überzeugung kommt.
Kennen sie die beste Seite Ihres Wesens? - Dort lebt eine Sehnsucht. Sie können sie nicht auslöschen, die Sehnsucht nach dem guten Leben, das Ihnen wohltut. Wer kennt diese Sehnsucht nicht?
Ich wünsche, dass Sie diese Sehnsucht zulassen.
Es möge ihnen gut gehen. Ich grüsse Sie! / Maria Loley"