FRANZ FUCHS UND DIE BBA
In Memoriam Kurt Kuch
Der NEWS-Bericht über die Bombenattentate der 90er Jahre stand am Anfang seiner journalistischen Arbeit.
Ende 2014 schrieb Kurt Kuch über den Mord in Oberwart, in Vorbereitung auf den 20 Jahrestag im Februar 2015. Es sollte seine letzte Arbeit sein. Kurt Kuch starb am 3. Jänner 2015.
Bei unserem letzten Treffen im Jänner 2014 sprachen wir über die SIRA-Akte. Ob ihm neue Erkenntnisse in der Briefbomben-Causa vorlagen? Kurt Kuch hat herzlich gelacht: "Nein, noch keine".
Die nachfolgende Recherche zum Thema Briefbomben widme ich Kurt Kuch.
(Quellen: Gerichtsakt Franz Fuchs, eigene Recherchen).
DER GRÖSSTE TERRORFALL DER ZWEITEN REPUBLIK
LEIDER NICHT RESTLOS AUFGEKLÄRT
Ingo Wieser, Sprengstoffexperte und Leiter des Gutachterteams vom Amt für Wehrtechnik, bestätigt laut Gerichtsgutachten, dass Franz Fuchs nur Laienwissen hatte und das Zündmittel nicht angefertigt haben konnte.
O. Univ. Prof. Dr. Heinz Dopsch
(Foto: Stadtarchiv Salzburg, Info-Z, zur Verfügung gestellt von Herrn Dr. Peter Kramml, Amtsleiter )
Der renommierte Salzburger Historiker O. Univ. Prof. Dr. Heinz Dopsch (geboren am 1. November 1942 in Wien, verstorben am 31. Juli 2014), erstellte 2 Gutachten zu den Bekennerschreiben:
"Versuch eines Täterprofils: Aus all den dargelegten Gründen, zu denen noch viele Einzelheiten nachgetragen werden können, ergibt sich der Schluß, daß der Täter wohl ein absolvierter Akademiker ist. Darauf weisen auch die teilweise recht geschickten und meist zutreffenden Formulierungen hin. Er muß nicht unbedingt ein Diplom oder Doktorat in Geschichte erworben haben - das könnte auch in einem ganz anderen Fach der Fall gewesen sein - aber zumindest Geschichte und auch Altgermanistik oder Sprachwissenschaften gehört haben und dafür ein besonderes Interesse besitzen."
[Fragment aus "Gutachten zu den weiteren Bekennerschreiben 5-7 der Bajuwarischen Befreiungsarmee", Prof. Dr. Heinz Dopsch].
In seinem Brief an Alfred Worm vom 2. März 1999, schrieb Prof. Dr. Heinz Dopsch: "Zunächst möchte ich festhalten, daß alle wirklichen Fachleute unabhängig voneinander festgestellt haben, daß Franz Fuchs die historischen Passagen der Bekennerschreiben nicht verfaßt hat und auch gar nicht verfassen konnte. Der Historiker Herwig Wolfram, Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, sein Mitarbeiter Andreas Schwarcz, Prof. Michael Mitterauer, dessen Buch "Karolingische Markgrafen im Südosten" eine wichtige Quelle für den unbekannten Autor der Bekennerschreiben war, und ich sind unabhängig voneinander zu völlig identischen Ergebnissen in Hinblick auf Persönlichkeitsstruktur und Alter des Autors gekommen. Prof. Mitterauer rief mich überraschend in Salzburg an um mir mitzuteilen, daß er mit meinen Schlußfolgerungen hundertprozentig übereinstimme. Auch der Germanist Prof. Günther Lippold, den ich persönlich nicht kenne, rief mich an, weil er - von einem ganz anderen Ansatz ausgehend - zumindest drei, vielleicht sogar fünf Personen nachweisen könne, die an der Abfassung der Bekennerschreiben beteiligt waren"
Aus den Oberösterreichischen Nachrichten am 18. Juni 2010: "Der Linzer Zivilingenieur Bruno Sternad war von 1995 bis 1996 als Kriminaltechniker an den Ermittlungen zum Briefbombenattentäter Franz Fuchs beteiligt. Im OÖN-Interview erzählt er erstmals, wie er dem Bombenbauer auf die Spur kam [...]
Sternad: Aufgrund der Redewendungen habe ich darauf getippt, dass der Täter aus der Steiermark stammt. Mir ist aufgefallen, dass er gewisse militärische Ausdrücke verwendet, also eine Art militärische Vorbildung hatte, und das habe ich denen dort mitgeteilt [...] ".
Nach dem Rohrbombenanschlag von Oberwart, fast zeitgleich mit der dritten Briefbombenserie (Eva Kulmer, Arabella Kiesbauer, Thomas Rother), wurden von Österreich aus Paketbomben nach Rumänien gesendet. Diese Anschlagsserie wurde kaum verfolgt und auch nicht gesondert (zum Beispiel gegen Unbekannt) zur Anzeige gebracht.
Der ursprünglich verschollene "Sika-Brief" soll jenes Stück sein, wo der Autor am meisten Preis von sich gibt. Mag. Michael Sika sagte, nicht gewusst zu haben, wo der Brief seinerzeit unterging. Das wurde ihm in seiner Position als Generaldirektor für öffentliche Sicherheit auch nicht mitgeteilt. "Nebenbei ist bis heute nicht geklärt, ob der Brief tatsächlich von Franz Fuchs stammte. Fuchs hat sich, meines Wissens, dazu nie eindeutig geäußert. Schriftsachverständige brachten auch kein klares Resultat zu Stande. Er wurde schließlich -als vermutlich nicht authentisch- abgelegt". (Michael SIKA, "Mein Protokoll", Kapitel: "Der verheimlichte Bekennerbrief").
Franz Fuchs war laut Angaben seines Dienstgebers niemals fähig gewesen, solche Bekennerbriefe zu schreiben. Dazu der Journalist und Buchautor Hans Christian Scheid in seinem Buch "Franz Fuchs" (Styria Verlag 2001):"Warum hat der Grazer Fuchs-Prozess den BBA-Bekennerschreiben praktisch keine Aufmerksamkeit gewidmet? Wäre dabei vielleicht allzu rasch klar geworden, dass Franz Fuchs die Bekennerschreiben nicht verfasst haben konnte?"
Franz Fuchs soll einen guten Draht zur Polizei gehabt haben?
In einem ORF-Interview am 16. Juni 1995 mit dem damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Mag. Michael Sika, fragt Robert Hochner:
"Er (Anm.: der Attentäter) weiß genau Bescheid, wie in der Polizei gearbeitet wird. Er kennt Namen, persönliche Details. Haben Sie das Gefühl, dass er einen guten Draht zur Polizei hat, oder sogar im schlimmsten Fall ein Polizist ist?"
Michael Sika: "Wir machen uns darüber Gedanken [...]"
Aber auch diese Gedanken wurden nicht zu Ende gedacht. Hierfür gibt es nach wie vor keine Erklärung. Diese wichtigen Details wurden durch die Einzeltätertheorie nicht weiter berücksichtigt.
Franz Fuchs machte am Abend seiner Festnahme mit allen Mitteln auf sich aufmerksam, er verfolgte zwei verängstigte Frauen, sodass sie gezwungen waren, die Polizei anzurufen.
Wer sind diese zwei Frauen ? Darüber wurde wenig berichtet: "Wir gehen aufs Ganze" DER STANDARD Mittwoch, 16. Juni 1999, Seite 11 Chronik "Wir gehen aufs Ganze" Fuchs-Belohnung: Zivilprozess um zehn Millionen Schilling Michael Simoner Wien/Graz - Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen. Diesen Grundsatz wollen ab heute, Mittwoch, das Ehepaar Sabine und Mirko Kuehn sowie Gabriele Scheucher, alle aus Gralla in der Steiermark, im Zivilprozess um die Auszahlung der Ergreiferpraemie zum Fall Franz Fuchs geltend machen. Im Wiener Justizpalast geht es um genau zehn Millionen Schilling (726.728 EURO). Soviel hatte das Innenministerium fuer Hinweise, die zur Ausforschung des Bombenattentaeters fuehrten, versprochen. Bisher wollte die Finanzprokuratur der Republik nur einen Teil des Geldes herausruecken. Doch die angebotenen drei Millionen Schilling (218.000 EURO) kostete den Grazer Rechtsanwalt Kurt Klein, der die zivile Millionenklage eingebracht hat, nicht einmal einen Lacher. "Unakzeptabel. Wir gehen aufs Ganze", so Klein im Gespraech mit dem STANDARD. In der Formulierung der Belohnungsauslobung habe es keine Einschraenkung gegeben. Also spiele es keine Rolle, dass seine Mandanten im Oktober 1997 nicht wussten, wer denn auf ihre Initiative hin verhaftet worden sei. Wie berichtet, hatten sich Sabine Kuehn und ihre Freundin Gabriele Scheucher im Auto von einem anderen Wagen verfolgt gefuehlt. Also verstaendigte Frau Kuehn telefonisch ihren Mann, der wiederum alarmierte die Gendarmerie, die wiederum verhaftete den Mann, der sich spaeter als der gesuchte Briefbombenattentaeter Franz Fuchs herausstellte. Mit seiner Verurteilung zu lebenlsanger Haft im Maerz wurde schliesslich die Belohnung faellig. Haider zahlte aus So sah es gestern jedenfalls auch Kaerntens Landeshauptmann Joerg Haider und uebergab den Kuehns und Frau Scheucher die von der FPOe 1994 ausgesetzte Belohnung von 300.000 Schilling (21.800 EURO). Klein hofft nun, "dass die Republik dem guten Beispiel" folgt. Er hat fuer den Prozess Innenminister Karl Schloegl und dessen Vorvorgaenger Franz Loeschnak als Zeugen beantragt. © DER STANDARD, 16. Juni 1999 Automatically processed by COMLAB NewsBench Up to the SOMLib Digital Library ProjectHomepage".
Seine Nervosität soll die Einführung der Rasterfahndung als Grund gehabt haben; aber auch die Aussage des Herrn Mag. Sika, der Täterkreis sei auf etwa 10 Personen reduziert worden. Was sprach eigentlich gegen eine solche Aussage zu einem früheren Zeitpunkt? Fuchs wollte sich an diesem Abend umbringen. Er starb nicht, weil er sich bei dem Bau seines letzten Werkes verkalkuliert hätte. Der genaue, vielseitige und professionelle Attentäter. Auch für Nicht-Psychologen - logisch undenkbar.
Franz Fuchs beging Selbstmord in der Justizanstalt Graz-Karlau, etwa 6 Monate nach seiner Überstellung am 9. August 1999.
Oberst Gerhard Plotho, stellvertretender Leiter der Justizanstalt Graz-Karlau und Bezirksinspektor Josef Url, Leiter der Krankenabteilung der Justizanstalt Graz-Karlau konnten (durch freundliche Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz) über interessante Details berichten: die Häftlingszelle von Franz Fuchs wurde -entgegen bisher kolportierter Meldungen- ausschliesslich behindertengerecht umgebaut und verfügte weder über Video- noch über Audioüberwachung. Die Glassscheiben wurden lediglich durch Kunststoffscheiben und der Spiegel wurde durch einen rostfreien Blechspiegel ersetzt, um eventuelle Selbstmordversuche zu verhindern. Allein ein Mauerhaken wo vorher ein Bild gehangen hatte, wurde bei dem Umbau übersehen: jener Haken, wo sich Franz Fuchs im Februar 2000 erhängte. Franz Fuchs wurde als sehr freundlich und höflich, jedoch sehr unnahbar beschrieben. Der einzige Insasse mit dem er sprach, war Udo Proksch.
Diese Recherche fing schon 1995 an, damals war ich ziemlich ratlos und versuchte mehr durch Provokationen eine Reaktion auszulösen. Ich schrieb offene Briefe an Tageszeitungen (sie waren an die Attentäter gerichtet), u.a. an die Tageszeitung "Die Presse". Nach meinem zweiten Brief erschien folgende Anzeige (Rubrik: 'Verschiedenes') ebendort:
"Gestern habe ich den 2ten Brief abgeholt. Ich bedanke mich für Ihre Fürsorge. Wenn Sie mich anrufen so genügt ein Blick ins Telefonbuch. Mein Name hat 8 Buchstaben 3 fehlen. Es war eine seg. Schöbsiade. Ade."
Thomas Müller, der federführende Kriminalpsychologe und Autor des Täterprofils in diesem Fall, hat seine Funktion (leitender Kriminalpsychologe einer one-man-Abteilung im Innenministerium) mit Ende 2004 zurückgelegt und arbeitet nun in Teilzeit bei der Sicherheitsakademie des Innenministeriums).
Kriminalpsychologe Thomas Müller zeichnete auch für das Gutachten im Fall Jack Unterweger verantwortlich.
Sigrun Tretter, ehemalige Leiterin der Sonderkommission Briefbomben, ist seit mehreren Jahren als Beraterin in der Privatwirtschaft selbständig.
"Die Presse", 14.6.1995
(© Bild: Ana Maria Ivan)
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