Gert Schmidt: der Professortitel
In Vorbereitung auf diesen Bericht habe ich eine Anfrage per e-Mail an Gert Schmidt versendet, welche unbeantwortet blieb:
Ich wollte wissen, warum ausgerechnet Gert Schmidt, der im Laufe seiner unternehmerischen Tätigkeit konsequent in Insolvenzverfahren verwickelt war (etwa 15 an der Zahl, manche davon wiederum mit weiteren Strafverfahren verbunden), ein besonderes Ansehen in Österreich wegen qualifizierter Leistungen (und welcher?) genießen sollte. Welches Urteils- und Verantwortungsvermögen muss ein Unternehmer haben, der regelmäßig Insolvenzverfahren eröffnen muss? Und ob er darüber (und über die weiteren Verfahren die mir bekannt sind) in seinem Lebenslauf Auskunft gegeben hatte. Für Prof. Gert Schmidt gilt die Unschuldsvermutung.
Auch meine e-Mail-Anfrage an den Pressesprecher des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Andreas Jilly, blieb unbeantwortet:
"Ich habe im Zuge meiner Recherche vergeblich versucht, die Publikationen des Prof. Gert Schmidt zu finden - sie sollen in Printform vorhanden sein.
Solche Publikationen sind in der Österreichischen Nationalbibliothek nicht vorhanden (Ablieferungspflicht), Prof. Schmidt verweigert die Beantwortung.
In der ots-Presseaussendung 23.6.2010 teilt das BM für Wissenschaft und Forschung mit :"In seinen wissenschaftlichen Arbeiten setzt sich Schmidt sehr engagiert mit den sozialen Dimensionen des Glücksspiels und mit Präventionsmaßnahmen zum Spielerschutz auseinander."
Im Sinne der journalistischen Aufklärungspflicht und der Wahrheitsfindung darf ich mich mit folegenden Fragen an Sie wenden:
Welche wissenschaftlichen Arbeiten des Prof. Schmidt wurden im Zuge der Titelverleihung vorgelegt?
Welche Titel tragen diese Studien?
Wann, wie und wo wurden sie veröffentlicht?
Warum befinden sie sich nicht im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek?
Wo sind diese Publikationen für das Lesepublikum zu finden?
Die begehrten Informationen sind insb. nach Veröfentlichung der parlamentarischen Anfrage 9890/J XXVII. GP -und der darauffolgenden Debatte- von öffentlichem Interesse."
Für die Geheimhaltung solcher "wissenschaftlichen Arbeiten" gibt es keinen Anlass.
Wien, am 25. April 2022 (aktualisiert am 3. Juni 2022)
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Am 26. November 2009 erging eine "begründete Anregung" auf Verleihung des Berufstitels „Professor“ an Gert Schmidt durch Dr. Alfred Finz (damaliger Staatssekretär und späterer Geschäftspartner des Gert Schmidt). Dr. Finz richtete seine Anregung an Dr. Johannes Hahn. Dr. Hahn war zu diesem Zeitpunkt Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, davor war er Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender bei Novomatic AG. (1997-2003), sowie Landesparteiobmann der ÖVP Wien (2005).
Das für die Verleihung notwendige Fachgutachten wurde von Univ.-Prof. Dr. Peter Kampits erstellt. Univ.-Prof. Dr. Peter Kampits ist Altdekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft an der Universität Wien, Leiter der Forschungsstelle für Ethik und Wissenschaft an der Universität Wien, Deputy General Director des Inter University Center Dubrovnik, Leitendes Mitglied der European Society for Philosophy, Ethics and Health Care (ESPMH), Aufsichtsratsmitglied der Sigmund Freud Privatstiftung, Mitglied in verschiedenen Ethikkommissionen österreichischer Spitäler und anderen Institutionen (zum Beispiel Veterinär Medizinische Universität Wien, Academia Superior etc.). Er ist auch stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt. (Quelle: Bundeskanzleramt).
Der Lebenslauf des Gert Schmidt und ein Befürwortungsschreiben von Karl Berl wurden ebenfalls vorgelegt.
Bundesministerin Dr. Beatrix Karl leitete anschließend das Verleihungsverfahren durch den österreichischen Bundespräsidenten ein. Die Titelverleihung fand im Juni 2010 statt.
Zu den Voraussetzungen:
"Berufstitel sind Auszeichnungen für besondere Leistungen. Sie werden vom Bundespräsidenten (→ BP) an Personen verliehen, die sich in langjähriger Ausübung ihres Berufes Verdienste um die Republik Österreich erworben haben. In der Regel werden diese Titel durch die zuständige Bundesministerin/den zuständigen Bundesminister übergeben. [...]Es werden nur herausragende Vertreterinnen/Vertreter ihres Berufes ausgezeichnet. Es müssen nachweisbare hervorragende Leistungen auf dem jeweiligen Gebiet bzw. ausgezeichneter Verwendungserfolg bei Bundesbediensteten vorliegen." (Quelle: https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/titel_und_auszeichnungen/Berufstitel.html)
Die österreichische Wirtschaftskammer stellt ein Merkblatt mit Richtlinien zur Verfügung:
"Diese Auszeichnung ist für Personen im Bereich [...] Kunst oder Wissenschaft vorgesehen, unter der Voraussetzung, dass sie das Ansehen in Österreich durch schöpferisches, forschendes oder lehrendes Wirken oder durch besonders qualifizierte Leistungen ihrer Berufstätigkeit während vieler Jahre, mindestens jedoch seit 15 Jahren in hohem Maße gefördert haben. [...] Neben der Darstellung der Verdienste, welche die Auszeichnungswürdigkeit erweisen sollen, sind die Verleihungsdaten (Datum der Entschließung) aller allenfalls vorher verliehenen bundesstaatlichen Auszeichnungen (Ehrenzeichen, Berufstitel) anzuführen. Darüber hinaus ist eine taxative Publikationsliste einschließlich ausgewählter Belegexemplare (max. 2) und eine Übersicht über Vorträge, Seminare, Kongresse, Symposien etc. des Auszeichnungswerbers anzuschließen. Neben der Darstellung der Verdienste, welche die Auszeichnungswürdigkeit erweisen sollen, sind die Verleihungsdaten (Datum der Entschließung) aller allenfalls vorher verliehenen bundesstaatlichen Auszeichnungen (Ehrenzeichen, Berufstitel) anzuführen. Darüber hinaus ist eine taxative Publikationsliste einschließlich ausgewählter Belegexemplare (max. 2) und eine Übersicht über Vorträge, Seminare, Kongresse, Symposien etc. des Auszeichnungswerbers anzuschließen. [...] Sämtliche Anträge werden im Zuge des Verfahrens auch den jeweiligen Ämtern der Landesregierung zur Begutachtung vorgelegt. Daher werden auch allfällige Verwaltungsübertretungen aufgedeckt und führen im Falle einschlägiger Vorstrafen (z.B. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Jugendschutzgesetz oder das Arbeitnehmerschutzgesetz) dazu, dass der Titel nicht verliehen werden kann. Sollte anzunehmen sein, dass eine solche Vorstrafe vorliegt, ist es daher besser, von einem Antrag abzusehen."
Per Presseaussendung vom 23. Juni 2010 teilt das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit: "Mit dem Berufstitel "Professor" wird auch Gert Schmidt ausgezeichnet, der sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema "Spielerschutz" befasst. Er hat dabei die ethischen Aspekte des Glücksspiels in besonderer Weise vertreten und immer versucht, gegen illegale Betreiber Maßnahmen zu setzen, wie etwa Initiativen für parlamentarische Anfragen, Begleitung der Novellierung des Glücksspielgesetzes im Sinne des Spielerschutzes, durch zahlreiche Auftritte in der Öffentlichkeit sowie durch Anregung von Musterverfahren und Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft. Seine Aktivitäten, die den Zusammenhang von Spiel, Spielsucht und Ethik deutlich herausstellten, erforderten auch in Hinblick auf den rechtlichen Rahmen mutige Entscheidungen. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten setzt sich Schmidt sehr engagiert mit den sozialen Dimensionen des Glücksspiels und mit Präventionsmaßnahmen zum Spielerschutz auseinander. Er hat dadurch ein geschärftes Problembewusstsein bei entsprechenden öffentlichen Stellen und in der medialen Diskussion geschaffen. Schmidt ist auch Herausgeber und Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins "ERFOLG".
Am 23. Juni 2010 wurden insgesamt sechs Auszeichnungen verliehen. Allesamt durch Gutachten und Empfehlungen begründet.
Das Gutachten betreffend Gert Schmidt wurde mit 9. März 2010 datiert. Also wurden sämtliche Unterlagen für sechs Personen (etwa über 300 Seiten?) innerhalb von 3 Monaten gelesen und geprüft? Immerhin ist ein Gutachten eine wissenschaftliche und kostspielige Arbeit mit Beweiskraft, es unterliegt der Dokumentationspflicht und Aufbewahrung, Ein Gutachten umfasst Art, Umfang und Ergebnisse der Untersuchung, es dokumentiert Anlass, Auftrag und Auftraggeber.
Die Tatsache, dass sich jemand mit einem Thema "befasst" ist ein ausreichender Grund für die Titelverleihung? Prof. Gert Schmidt hat das angesprochene Unternehmen ("ERFOLG") in Konkurs geführt - durch sein unternehmerisches Denken und Tun. Noch mehrere Gesellschaften sollten im Laufe der Zeit insolvent werden. Was besagt das Fachgutachten? Welche besondere Leistungen begründen die Titelverleihung. Darüber konnte keine Auskunft erteilt werden. ADir. Andrea Sommer aus dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung meinte auf Anfrage dazu: "Sie sind Journalistin, recherchieren Sie. Journalisten finden immer alles".
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NEOS-Nationalratsabgeordnete Dr. Stephanie Krisper brachte im Februar 2022 die parlamentarische Anfrage Nr. 9890/J-NR/2022 bezüglich der Titelverleihung in Zusammenhang mit medial bekannten Vorgängen rund um Casinos Austria, Novomatic und Ibiza-Affäre ein:
"[...] Durch welche Maßnahmen wurde wann durch wen überprüft, inwiefern sich Gert Schmidt mit dem Zusammenhang zwischen Spiel, Spielsucht und Ethik beschäftigt?
Inwiefern hat sich zu beiden letzteren Themen ein Zusammenhang gezeigt?
Durch welche Maßnahmen wurde wann durch wen überprüft, inwiefern Initiativen für parlamentarische Anfragen von Gert Schmidt ausgingen, die eine Verleihung des Titels "Professor" rechtfertigen?
Mit welchem Ergebnis durch wen wann?
Durch welche Maßnahmen wurde wann durch wen überprüft, inwiefern Musterverfahren und Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft von Gert Schmidt angeregt wurden?
Mit welchem Ergebnis durch wen wann?
Handelte es sich dabei jemals auch um ein Verfahren gegen die Novomatic, welche - mittlerweile höchstgerichtlich festgestellt - ebenso illegales Glücksspiel in Wien betrieb?
Handelte es sich bei den Musterverfahren und Sachverhaltsdarstellungen stets um solche, die gegen Konkurrenten der Novomatic gerichtet waren?
Durch welche Maßnahmen wurde wann durch wen überprüft, welche Rolle Gert Schmidt in der Begleitung der Novellierung des Glücksspielgesetzes im Sinne des Spielerschutzes einnahm, die die Verleihung des Titels Professor angemessen erschienen ließ?
Welche durch die GSpG Novelle 2010 eingeführten Gesetze brachten einen wesentlichen Fortschritt im Sinne des Spielerschutzes?
Ist der Ressortführung bekannt, dass die GSpG Novelle 2010 durch die drastische Erhöhung der Einsatz- und Gewinngrenzen im "kleinen Glücksspiel" eine Legalisierung der bis dahin bestehenden illegalen Praktiken der Novomatic mit sich brachte und damit noch höhere Verluste in noch kürzerer Zeit möglich machte?
Ist der Ressortführung bekannt, dass die GSpG Novelle 2010 durch die drastische Erhöhung der Einsatz- und Gewinngrenzen im "kleinen Glücksspiel" eine Legalisierung der bis dahin bestehenden illegalen Praktiken der Novomatic mit sich brachte und damit noch höhere Verluste in noch kürzerer Zeit möglich machte?
Wurde in Ihrem Hause seitdem durch wenn wann analysiert, ob dies als "Novellierung des Glücksspielgesetzes im Sinne des Spielerschutzes" gesehen werden kann?
Wenn ja, zu welchem Ergebnis kann wer wann?
i. Wenn positiv: inwiefern werden Spieler dadurch besser geschützt?
ii. Wenn negativ: welche Änderungen sind daher wann vorgenommen worden bzw. für wann in welcher Form geplant?
Kennen Sie den Bericht der ÖBIG zur Evaluierung der Novelle des GSpG 2010?
Wenn ja, was sagen Sie zum Ergebnis dieser Evaluierung im Zusammenhang mit der Verleihung des Titels Professor für die Verdienste um den Spielerschutz?
[...]
Fassen Sie in concreto die Prüfung eines Widerrufs der Verleihung des Berufstitels ins Auge? Wenn ja, wann planen Sie eine solche Prüfung umzusetzen?
Wenn nein, warum nicht? Werden Sie, nach Prüfung der Voraussetzungen des Widerrufs, einen solchen dem Bundespräsidenten vorschlagen?
Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?"
Die Beantwortung Nr. 9664/AB vom 23.April 2022 brachte kein neues Licht in die Sache: neben Namen (Gutachter, etc.) und Vorgang wurde mitgeteilt, weitere Informationen seien nicht vorhanden, Überprüfungen in Zusammenhang mit eventuellen Straf- oder Verwaltungsverfahren gegen den Titelbewerber seien nicht vorgesehen. "
Auf Grund des Art. 65 Abs. 2 lit. b des Bundes-Verfassungsgesetzes und gemäß Art. V der Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Schaffung von Berufstiteln, BGBl. II Nr. 261/2002 idF BGBl. II Nr. 195/2012, kann die Verleihung des Berufstitels Professor widerrufen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die einer Verleihung entgegengestanden wären oder wenn der Beliehene nachträglich ein Verhalten setzt, das einer Verleihung entgegenstünde.
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